Archive for ‘Krisen’

11. August 2010

EU Insolvenz in England

von ebit4u

Die Vorteile der EU Insolvenz England können nutzen:

– Privatpersonen,

– ehemalige/r mithaftende Geschäftsführer/innen einer Kapitalgesellschaft,

– mithaftende/r Gesellschafter/innen,

– (ehemalige/r) Gewerbetreibende/r und

– Freiberufler/innnen (Arzt/Ärztin, Rechtsanwalt/wältin, …)

 Sinnvolle Voraussetzungen für die Durchführung einer EU Insolvenz England sind unter anderem:

– eine gewisse Bereitschaft zur Mobilität

– ein noch vorhandenes Budget (das durch sofortigen Beenden der „Loch zu“ „Loch auf“ Politik bei einem Finanzengpass geschaffen werden kann).

Laut europäischem und englischem Insolvenzrecht ist das englische Gericht für ein zu eröffnendes Insolvenz-Verfahren nur dann zuständig, wenn der Schuldner mindestens 6 Monate (allgemein übliche Praxis) vor der Einreichung den COMI (= centre of main interest)  in England hatte.  Allgemein wird der COMI als jener Ort definiert, an dem der Schuldner regelmäßig die Administration seiner Interessen durchführt und auch für Dritte erreichbar ist.

 Anzumerken ist das diesbezüglich bereits eine Judikatur vom High Court of Justice (EuInsVO Art. 3 I, High Court of Justice, Urteil vom 19.06.2007 – 1338/2007) vorliegt: EU-Bürger dürfen ihren Wohnsitz (=centre of main interest oder COMI) beliebig verlegen. Für die Zuständigkeit des Gerichts kommt es darauf an, wann der Insolvenzantrag gestellt bzw. das Verfahren eröffnet wird. Es ist nicht erforderlich, eine Zeitspanne zwischen Wohnortwechsel und Antrag einzuhalten.

Der zweite wichtige Teil besteht in der plausiblen Formulierung des Insolvenz-Antrages und der richtigen Kommunikation mit dem Insolvenz-Verwalter (Official Receiver).

Wurde der COMI richtig aufgesetzt, der Antrag plausibel formuliert und ist eine angemessene Zeit seit Verlegung des COMI nach England verstrichen, kann der Insolvenz-Antrag eingereicht werden. Dies kann in England und Wales am zuständigen Gericht des Wohnortes erfolgen. Für den Großraum London ist dies der High Court in London.

Ist der Antrag plausibel formuliert, wird der prüfende Beamte den Antrag umgehend freigeben. Sie erhalten dann noch am Tag der Einreichung, ohne persönliche Befragung, Ihre Bestätigung (Bankruptcy Order) und das Verfahren ist eröffnet.

Das eigentliche Insolvenz-Verfahren beginnt mit dem Tag der Eröffnung des Konkurses zu laufen.

Der 1. Teil des Verfahrens, das Entschuldungs-Verfahren endet automatisch spätestens nach 12 Monaten mit der amtlichen Schuldbefreiung (Discharge).

Der 2. Teil des Insolvenz-Verfahren, das Masse-Verwertungs-Verfahren, wird von einem Beamten, dem Official Receiver, abgewickelt. Dieser wird Sie innerhalb von 5 Werktagen ab Einreichung per Post kontaktieren und zusätzliche Informationen anfordern.

Innerhalb von 12 Wochen wird der Official Receiver sämtliche Gläubiger kontaktieren und Ihnen möglicherweise eine Zahlungsvereinbarung für maximal 3 Jahre (!) vorschreiben. Im englischen Insolvenz-Verfahren gibt es keine Mindest-Quote. Die Höhe der vorgeschriebenen Zahlungen richtet sich daher nicht nach der Höhe Ihrer Schulden sondern nach den Angaben im Insolvenz-Antrag. 

Das Masse-Verwertungs-Verfahren (maximal 3 Jahre) läuft völlig eigenständig und beeinflusst das Schuld-Befreiungs-Verfahren normalerweise nicht.

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11. August 2010

Fragen und Antworten zum Insolvenzverfahren in England

von ebit4u

 -Was bedeutet der Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen?

 Mit dem COMI oder  Lebensmittelpunkt (LMP) ist der familiäre Lebensmittelpunkt gemeint, also  derjenige Ort, an dem der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat und nicht der wirtschaftliche. D. h., sie können in Österreich weiterhin  ihrer Arbeit  nachgehen – soweit eine Möglichkeit der zeitweisen Abwesenheit möglich ist.

Der COMI oder LMP ist somit einer der entscheidenden Faktoren zum Erreichen der „Ausländischen“ Restschuldbefreiung. In der Regel wird hier sehr genau geprüft wo sie wohnen, wie lange sie im Land leben, womit sie ihr Geld verdienen, usw.. Außerdem werden die obligatorischen Rechnungen für Gas, Wasser, Strom, Telefon, usw. abgefragt.

Gängige Leitlinien:

Verlagerung des Lebensmittelpunktes: Mindestens 51% des Jahres in England anwesend, eine Mietwohnung auf eigenen Namen in England, privates Konto in England. Zur Untermiete ist erlaubt, sofern ein Untermietvertrag vorlegt wird. Hotelzimmer oder wohnen bei Verwandten/Bekannten begründet keinen Lebensmittelpunkt, sofern kein Untermietvertrag. Die Wohnung in England muss der „ständigen Nutzung“ ausgestaltet sein: Möbliert, Verbrauch von Strom, Wasser, Heizung.

Sozialversicherungsnummer (NHS) in England: Die Sozialversicherungsnummer untermauert die Ansässigkeit in England und ist zwingend erforderlich

Konto in England: Eröffnung eines Privatkontos bei einer englischen Bank. Dazu wird i.d.R. der Arbeitsvertrag, der Mietvertrag und die Sozialversicherungsnummer benötigt

Beruflicher Interessenschwerpunkt: Angestelltenverhältnis, ggf bei „eigener Limited“

Privater Interessenschwerpunkt: Juristisch komplex, Einzelfallbetrachtung erforderlich

Österreich: Aufgabe der Wohnung, Abmeldung beim Einwohnermeldeamt

Melden Sie sicherheitshalber Ihr österreichisches Handy ab und besorgen Sie sich einen Handyvertrag in England. Lassen Sie alle Zahlungseingänge- /Ausgänge über das englische Privatkonto laufen.

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Gibt es eine Null-Insolvenz in England?

 Ja.  Aber es müssen die Lebenshaltungskosten in England abdecken werden können. Aufgrund der hohen Lebenshaltungskosten in London beginnt die Gehaltspfändung jedoch erst ab einem verfügbaren Einkommen von 1.500 Pfund.

Wie wird das Insolvenzverfahren in England in Gang gesetzt?

Das Gericht eröffnet das Insolvenzverfahren gegen eine Privatperson aufgrund eines Insolvenzantrages. Antragsberechtigt ist:

die verschuldete Person selbst

oder jeder Gläubiger mit einer Forderung über £750.

 Bei einem Eigenantrag sind die gesetzlich vorgeschriebenen Formblätter zu verwenden. Dieser beinhaltet insbesondere einen umfangreichen Fragebogen zur Vermögenssituation und den privaten Verhältnissen.

 -Wie hoch sind die Verfahrensgebühren des Insolvenzgerichts?

Es muss eine Gerichtsgebühr in Höhe von 140,00 GBP eingezahlt werden sowie ein Betrag von 310 Pfund als Vorschuss für die Kosten des Insolvenzverwalters.

Die Gerichtskosten sind bei der Gerichtskasse vor Abgabe des Insolvenzantrages einzuzahlen.

 -Was geschieht, nachdem der Insolvenzantrag bei der Antragsstelle in England eingereicht worden ist?

 Nachdem der  Insolvenzantrag abgegeben wurde, kommt es zu einem Anhörungstermin mit dem Insolvenzrichter. Dieser überprüft neben den üblichen Voraussetzungen zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens insbesondere, ob der Lebensmittelpunkt in der Zuständigkeit des englischen Gerichts gegeben ist..

Der zweite Anhörungstermin findet wenige Wochen später mit dem staatlichen Insolvenzverwalter statt. Der staatliche Insolvenzverwalter ist Justizbeamter gleich einem deutschen Rechtspfleger.

In diesem Anhörungstermin wird der Antrag durchgearbeitet und gegebenenfalls ergänzt. Möglicherweise werden zusätzliche Fragen zu Ihren Schulden und Vermögenswerten gestellt.

 -Was geschieht mit meinem Gehalt während der Insolvenz in England?

 Ab einem gewissen Einkommen müssen  Zahlungen an die Gläubiger geleistet werden. Pfändungsgrenzen wie in Österreich und in Deutschland  gibt es in England nicht. Vielmehr werden diese mit dem Insolvenzverwalter ausgehandelt und individuell festgelegt.

Aufgrund der hohen Lebenshaltungskosten in London beginnt die Gehaltspfändung frühestens ab 1.500 Pfund.

Müssen Zahlungen an die Gläubiger geleistet werden, weil das Einkommen die Grenzen übersteigt, gilt die Zahlungspflicht über die Erteilung der Restschuldbefreiung hinaus insgesamt drei Jahre.

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11. August 2010

Bestimmungen zur EU-Privatinsolvenz in anderen EU-Ländern

von ebit4u

Die einzelnen EU-Länder sehen  die verschiedensten gesetzlichen Erfordernisse und Regelungen für eine Restschuldbefreiung  vor, bevor man diese Möglichkeit in Anspruch nimmt, sollte man sich genauestens erkundigen.

 

Nach englischem Insolvenzrecht kann eine Restschuldbefreiung bereits nach 1 Jahr (noch nicht eingerechnet die mindestens 6 Monate Vorlaufzeit) erlangt werden.

 In Frankreich kann gegenüber den deutschen und österreichischen Regelungen bereits nach einigen Monaten die angestrebte Restschuldbefreiung zum Zug kommen, da im Regelfall kein Insolvenzverwalter bestellt wird und bei mangelnder Masse mit anschließender Verfahrensabweisung die Restschuldbefreiung erteilt werden kann. Jedoch werden bedingt durch den zunehmenden „Insolvenztourismus“ aus Deutschland, die Anforderungen and den Lebensmittelpunkt immer höher und die französischen Gerichte stehen solchen Privatinsolvenzanträgen immer kritischer gegenüber.

 Auch Spanien und Portugal sollen eine beträchtlich kürzere Wohlverhaltensperiode für für Privatinsolvenzen vorsehen. 

 Eine  Insolvenz in England oder Frankreich  kann  folgende Vorteile (im Vergleich zu Deutschland/Österreich) bieten:

– Entschuldung günstig auch ohne Masse oder mit geringer Masse möglich

– Schuldbefreiung innerhalb von 12 Monaten (nicht mitgerechnet der meist notwendige  Vorlauf on etwa 6 Monaten (siehe unten))

– Zeitersparnis von ca. 5-7 Jahren

– Schnelle „Rehabilitation“ und Wiedereintritt in das Wirtschaftsleben.

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10. August 2010

EU-Privatinsolvenz

von ebit4u

Laut Insolvenzstatistik für das 1. Halbjahr 2010 der Creditreform haben sich die in Österreich durchgeführten Privatinsolvenzen (6 Monate 2010: 5.275; (6 Monate 2009: 5.221)   gemessen an der Gesamtzahl der Insolvenzen  (6 Monate 2010: 8.600; 6 Monate 2009: 8.730 von 59,8 um 2 Prozentpunkte auf 61% erhöht.   Ebenso wie die mangels Masse abgewiesenen Privatinsolvenzanträge (6 Monate 2010: 681; 6 Monate 2009: 657). Das heißt die Privatinsolvenzen nehmen im Verhältnis zu den Unternehmensinsolvenzen  (6 Monate 2010: 3.325; 6 Monate 2009: 3.509) überproportional zu.

Das in Österreich und Deutschland geltende Stigma eines wirtschaftlichen Scheiterns  spiegelt sich auch in den  österreichischen und deutschen Bestimmungen über den Privatkonkurs wieder:  Beide Länder sehen eine 6-7 jährige Wohlverhaltensperiode vor, in der, der Gescheiterte seine „Redlichkeit“ unter Beweis stellen muß. In dieser Zeitperiode und meist noch länger (bis zur Löschung der Einträge in den KSV und SCHUFA-Dateien) ist es für die Betroffenen aufgrund schlechter Bonitätsauskunft meist unmöglich die einfachsten Verträge abzuschließen.

Dies unbeachtlich,  ob es verschuldet oder unverschuldet zur Insolvenz gekommen ist.

Das österreichische Privatinsolvenzverfahren beinhaltet gegenüber der deutschen InsO sogar noch Nachteile. So gestaltet sich der Weg zur Restschuldbefreiung in Österreich deshalb schwieriger, da nicht die Möglichkeit der Verfahrenskostenstundung besteht und eine Vielzahl von Quotenregelungen vorgesehen ist, die generell für den Schuldner im Vergleich zu Verfahren in anderen Ländern eher Nachteile mit sich bringen werden.

Es gibt nun seit einigen Jahren die Möglichkeit der Durchführung  einer Privatinsolvenz für Österreicher in anderen EU Staaten auf die von Seiten der Schuldnerberatungen und Anwälte nur selten hingewiesen wird.

Schuldbefreiung auf internationaler Ebene

Seit 2000 ist es aufgrund einer Verordnung  des EU- Gerichtshofeshofes für jeden EU-Bürgen  möglich in einem anderen EU-Staat unter Inanspruchnahme der dort geltenden Insolvenzrechtsbestimmungen ein Privatinsolvenzverfahren durchzuführen, das von den österreichischen und deutschen Behörden anzuerkennen ist (Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren).

Bestätigt wurde die Umsetzung der EU Verordnung in Österreich und Deutschland wie folgt:

Der BGH Beschluß vom 18.9.2001 – IX ZB 51 / 00 bestimmt:

„Wenn sich ein deutscher Staatsangehöriger ins Ausland begibt und sich dort einem Verfahren zur Restschuldbefreiung unterwirft, welches den Regelungen der deutschen InsO, insbesondere in Bezug auf die Vermögensverwertung, grundsätzlich entspricht, so ist eine dort erteilte Restschuldbefreiung auch im Inland anzuerkennen. Die im Ausland geltenden Fristen zur Erlangung der Restschuldbefreiung müssen nicht den relativ langen Fristen der deutschen InsO entsprechen. Eine ausländische Restschuldbefreiung wird nach Art. 102 I EGInsO und EU-Verordnung Nr.1364/2000 vom 29.5.2000 verfahrensrechtlich anerkannt.“

In Österreich ist im Bundesgesetzblatt I Nr. 36/2003 über das Internationale Insolvenzrecht, 2. Hauptstück, Allgemeine Vorschriften, 3. Abschnitt, § 240 festgehalten, dass die Wirkungen eines in einem anderen Staat eröffneten Insolvenzverfahrens und die in einem solchen Verfahren ergangenen Entscheidungen in Österreich anerkannt werden, wenn der Mittelpunkt des hauptsächlichen Interesses des Schuldners im anderen Staat liegt und das Insolvenzverfahren in den Grundzügen einem österreichischen Verfahren vergleichbar ist.

Damit ist grundsätzlich  die Durchführung eines Privatinsolvenzverfahrens für EU Bürgen in jedem  EU-Land möglich und die nationalen Behörden in Österreich und Deutschland müssen die Restschuldbefreiung rechtlich auch anerkennen.