AIFM-Richtlinie und Crowdfunding

von ebit4u

In den USA gibt es die für mich sehr interessante Bewegung, das eine Art „Dachfonds“ über Crowdfunding finanziert wird, um mit dem eingesammelten Geld wiederum in Startups zu investieren. Ein Beispiel dafür ist THE ORANGE Fund Projekt.

In Deutschland bzw. Österreich würde die  Bildung solcher Crowd-Fonds wohl dem AIFM unterliegen, wenn es nicht gelingt eine operative Tätigkeit nachzuweisen. Eine Qualifizierung als AIFM würde mit erheblichen adminstrativen Aufwand und Kosten verbunden sein. Interessant wäre es jedoch jedenfalls…

Zusammenfassend zum Thema AIFM-Richtlinie und Crowdfunding:

Mit der Richtlinie 2011/61/EU über die Verwaltung alternativer Investmentfonds und zur Änderung anderer Richtlinien wurde auf EU-Ebene beschlossen, die Tätigkeit der Verwalter von alternativen Investmentfonds (Alternative Investment Fund Manager – AIFM) sehr stark zu reglementieren und einer gemeinsamen Aufsicht zu unterwerfen .
Alle EU-Mitgliedsstaaten mussten bis zum 22. Juli 2013 die Alternative-Investment-Fund-Manager-Richtlinie („AIFM-Richtlinie“) in nationales Recht umsetzen. In Österreich wurde die Richtlinie im Alternative-Investmentfondsmanager-Gesetz (AIFMG) umgesetzt, das am 22. Juli 2013 in Kraft getreten ist.
In Deutschland ist die Umsetzung durch die Einführung des Kapitalanlagengesetzbuchs erfolgt. Dabei ist der deutsche Gesetzgeber durch die Schaffung zusätzlicher regulatorischer Vorgaben für Fondsstrukturen und Fondsmanager weit über die umzusetzenden Vorgaben der AIFM-Richtlinie hinausgegangen (sog. gold plating).

In der Folge soll vorwiegend auf die Regelungen des Kapitalanlagegesetzbuches eingegangen werden, die auch deswegen weil die BAFIN inzwischen schon zusätzliche Erläuterungen und Kriterien zu Auslegungsfragen herausgegeben hat (im Unterschied zur FMA) und weil in Österreich ohnehin die FMA hinsichtlich Auslegungsfragen vermehrt auf die BAFIN verweist und sogar der öVwGH diesen Verweisen folgt:
Definition eines Alternativen Investmentfonds („AIF“)
Das Kapitalanlagengesetzbuch ( oder auch das öAIFMG)– das Fonds und deren Verwalter einer umfassenden Regulierung unterwirft – ist anwendbar, wenn ein Alternativer Investmentfonds („AIF“) vorliegt, der von einem Manager für Alternative Investmentfonds („AIFM“) verwaltet wird.
Entscheidend für die Frage, ob Crowdfunding der Regulierung des Kapitalanlagengesetzbuchs unterfällt, ist daher, ob einer der Beteiligten als AIF oder AIFM anzusehen ist.

Nach dem Kapitalanlagengesetzbuch (analog das öAIFMG)  sind alternative Investmentfonds (AIF) alle Organismus für gemeinsame Anlagen,

  • die von einer Anzahl von Anlegern Kapital einsammelt,
  • um es gemäß einer festgelegten Anlagestrategie
  • zum Nutzen dieser Anleger zu investieren.

Diese aufsichtsrechtliche Regulierung soll grundsätzlich alle Investmentfonds erfassen, die nicht bereits durch ein anderes aufsichtsrechtliches Regime reglementiert werden. Es spielt dabei keine Rolle, in welcher rechtlichen oder vertraglichen Form alternative Investmentfonds verwaltet werden. Ausgenommen sind ua. jedoch solche AIF, bei denen das eingesammelte Kapital unmittelbar der operativen Tätigkeit dient.
Dazu bestimmt die European Securities and Markets Authority („ESMA“) in ihrer Stellungnahme zur AIFM-Richtlinie „Guidelines on key concepts of the AIFM“ vom 19. Dezember 2012 , dass ein gewöhnliches Unternehmen mit einem allgemeinen gewerblichen Unternehmensgegenstand nicht als Organismus für gemeinsame Anlagen angesehen wird.
Die BaFin führt dazu weiter aus, dass solche Unternehmen operativ tätig sind, die Anlagen im Rahmen eines laufenden Geschäftsbetriebs selbst betreiben Zusätzlich stellt die BaFin im Rahmen ihres Auslegungsschreibens klar, dass ein Unternehmen auch dann operativ tätig ist, wenn es sich gruppeninterner Gesellschaften oder fremder Dienstleister bedient, solange die unternehmerischen Entscheidungen im laufenden Geschäftsbetrieb („day-to-day discretion of control“) bei dem Unternehmen selbst verbleiben.
Finanzierung eines operativ tätigen Unternehmens
Vor dem Hintergrund des Auslegungsschreibens der BaFin sind Unternehmen, die über eine Crowdfunding-Plattform Finanzmittel erlangen wollen, als operativ tätige Unternehmen außerhalb des Finanzsektors zu definieren, vorausgesetzt
• ihre Unternehmensstrategie ist schlichtweg der unternehmerische Erfolg;
• sie verfolgen keine festgelegte Anlagestrategie, sondern wollen lediglich ihren laufenden Geschäftsbetrieb finanzieren
• sie betreiben die Anlagen, die Produktion oder das Projekt selbst innerhalb ihres laufenden Geschäftsbetriebs oder bedienen sich gruppeninterner Gesellschaften oder fremder Dienstleister (solange unternehmerische Entscheidungen im laufenden Geschäftsbetrieb bei dem Unternehmen selbst verbleiben).
In der Regel wird ein „typisches“ Startup-Unternehmen bzw. ein KMU diese Voraussetzungen erfüllen, sofern es seinen laufenden Geschäftsbetrieb mithilfe einer Crowdfunding-Plattform finanzieren will. Auf diese Unternehmen sind somit die Bestimmungen des Kapitalanlagegesetzbuches nicht anwendbar.

Finanzierung einer Projektgesellschaft
Crowdinvesting
Jedoch scheint die BaFin nach ihren Ausführungen im Rahmen ihres Auslegungsschreibens davon auszugehen, dass ein Unternehmen nicht als operativ tätig anzusehen ist, wenn es zur Finanzierung eines einzelnen Projektes gegründet wurde (Projekt-Gesellschaft) – wie z.B. ein Film, ein Computerspiel, ein Wind- oder Solarpark – und dabei die Produktion oder die Anlagen nicht selbst betreibt oder – bei Nutzung eines Dienstleisters – sich nicht die unternehmerischen Entscheidungen vorbehält.
Es kann somit nicht ausgeschlossen werden, dass es sich bei dieser Art von Projekt-Gesellschaft um einen AIF im Sinne des Kapitalanlagengesetzbuchs handelt, wenn diese den Investoren eine Erfolgsbeteiligung an dem Projekt anbietet und keinerlei operative Tätigkeit entwickelt.
Nachrangdarlehen dürften grundsätzlich so strukturiert sein, dass kein AIF vorliegt, da hier grundsätzlich keine Verlustbeteiligung des Anlegers vorgesehen ist.

Donations- und rewardbasierendes Crowdfunding
Einige der Projekt-Gesellschaften gewähren keinerlei finanzielle Erlöse, sondern ausschließlich eine (oft geringe) nicht monetäre Entlohnung. In diesen Fällen (wenn z.B. ein Ticket oder eine Kopie des Films oder Spiels versprochen wird) kann argumentiert werden, dass das Kapital nicht zum Nutzen der Anleger investiert wird und daher kein Investmentvermögen und kein AIF vorliegen. Die BaFin hat sich allerdings bisher noch nicht zu einer möglichen Anwendung des Kapitalanlagengesetzbuches auf donations- und rewardsbasierendem Crowdfunding geäußert.
Diskussionspunkt: festgelegte Anlagestrategie
Interessant in diesem Zusammenhang sind die Erläuterungen der BaFin im Zusammenhang mit der Qualifizierung eines Immobilienunternehmens als AIF:
Insbesondere im Immobilienbereich ist fraglich, welche Tätigkeiten als operativ anzusehen sind. Der Betrieb einer Immobilie (z.B. eines Hotels oder einer Pflegeeinrichtung) ist als operative Tätigkeit anzusehen. Auch die Projektentwicklung (Konzeption, Ankauf, Entwicklung der Immobilie und anschließender Verkauf der selbst entwickelten Immobilie) ist als operative Tätigkeit anzusehen. Ferner sind „facility management“, Makler- und Bewertungstätigkeiten oder Finanzierungsberatung im Zusammenhang mit dem Kauf oder Verkauf einer Immobilie als operative Tätigkeiten anzusehen. Dass sich die Immobiliengesellschaft im Rahmen ihrer operativen Tätigkeiten fremder Dienstleister oder gruppeninterner Gesellschaften bedient, ist unschädlich, solange die unternehmerischen Entscheidungen im laufenden Geschäftsbetrieb bei ihr verbleiben. Ist der Unternehmensgegenstand eine Immobiliengesellschaft dagegen auf den Erwerb, die Vermietung, die Verpachtung, die Verwaltung sowie den Verkauf von Immobilien ausgerichtet und nicht auf eine operative Tätigkeit, kann eine Abgrenzung nur anhand des Tatbestandsmerkmals „festgelegte Anlagestrategie“ versus allgemeine Unternehmensstrategie erfolgen.
Die Tatbestandsvoraussetzung einer festgelegten Anlagestrategie wird entsprechend den Guidelines der ESMA dann erfüllt, wenn ein Organismus im Rahmen einer Strategie festlegt, wie das gemeinschaftliche Kapital verwaltet werden muss, damit es eine gemeinsame Rendite für die Anleger generiert. Die folgenden Merkmale können einzeln oder kumulativ auf das Vorliegen einer festgelegten Anlagestrategie hindeuten:
• die Strategie ist spätestens zu dem Zeitpunkt festgelegt, zu dem die Beteiligung des Anlegers bindend geworden ist;
• die Strategie ist in einem Dokument ausgeführt, das Teil der Anlagebedingungen oder der Satzung des Organismus ist oder auf das in den Anlagebedingungen oder der Satzung Bezug genommen wird;
• der Organismus hat eine rechtlich bindende und von den Anlegern durchsetzbare Verpflichtung, die Strategie den Anlegern gegenüber einzuhalten;
• die Strategie konkretisiert die Richtlinien, nach denen die Anlage zu erfolgen hat (z.B. Anlage in bestimmte Kategorien von Vermögensgegenständen, Beschränkungen bei der asset allocation, Verfolgung bestimmter Strategien, Anlage in bestimmte geographische Regionen, Beschränkungen des Leverage, bestimmte Haltefristen oder sonstige Risikodiversifikations-vorgaben).

Grundsätzliches zur Qualifikation der Crowdfunding-Plattformen
Grundsätzlich sammelt die Crowdfunding-Plattform kein Kapital von Anlegern für eigene Zwecke ein. Daher kann eine solche Plattform selbst grundsätzlich nicht als AIF angesehen werden.
Selbst wenn das zugrunde liegende Investment (z.B. die Projekt-Gesellschaft) einen AIF darstellt, sprechen gute Argumente dagegen, dass die Crowdfunding-Plattform diesen „managt“. Vielmehr führt die Plattform lediglich Investoren und das zu finanzierende Projekt/Unternehmen zusammen. Der „Manager“ ist typischerweise das Unternehmen selbst, welches auf der Crowdfunding-Plattform nach Investoren sucht.
Im Ergebnis sprechen daher gute Gründe dafür, dass Crowdfunding-Plattformen selbst keine Alternative Investment Manager (AIFM) sind.
 

Rechtsfolgen der Qualifikation als AIF?

Wird ein Unternehmen als AIF qualifiziert, bedarf es abhängig von der Höhe des verwalteten Vermögens entweder einer Konzession oder einer Registrierung. Einen AIFM treffen umfassende Pflichten im Hinblick auf den organisatorischen Aufbau des Unternehmens, das Risiko- und Liquidationsmanagement, Monitoring, Reporting und Information gegenüber Anlegern und der Finanzaufsichtsbehörde.
Eine Anwendung des Kapitalanlagengesetzbuchs auf Unternehmen, die sich mittels Crowdfunding-Plattformen finanzieren wollen (was für Projekt-Gesellschaften derzeit wahrscheinlich erscheint), und der damit verbundene Aufwand und die Kosten würden eine wirtschaftlich sinnvolle Nutzung der neuen alternativen Finanzierungsmethode Crowdfunding unmöglich machen. Projekte, wie Filme oder Spiele, würden zudem rein faktisch „verboten“, weil sie keine Sachwerte im Sinne des Kapitalanlagengesetzbuchs darstellen.
Diese strenge Regulierung steht im Widerspruch zu der von der Europäischen Kommission ausdrücklich beabsichtigten Förderung des Crowdfundings. In diesem Sinn gibt es bereits Bestrebungen die BaFin von der Notwendigkeit des ausdrücklichen Ausschlusses der Finanzierungsform Crowdfunding vom Anwendungsbereich des Kapitalanlagengesetzbuchs bzw. des öAIFM zu überzeugen.

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