In einem Interview mit dem Wallstreet Journal äußert sich Lars Hinrichs abschlägig zur Idee der Wiederbelebung des Neuen Marktes.
Seinen Argumenten wie „Für gute Firmen gibt es immer eine Finanzierung. Für gute Firmen hat es noch nie einen Mangel an Geld gegeben“ und „dass es gerade in Amerika sehr viele gute Investoren gegeben hat, die wahnsinnig viel Geld damit verdient haben, dass sie Firmen privat gehalten haben“ ,folge ich nicht so ganz, denn zuerst einmal muß man an die Finanziers rankommen, die Transparenz am VC Markt ist sowohl in Europa als auch in den USA noch immer sehr verbesserungswürdig.
Er weist auch auf die Existenz des Entry Standards hin, auch hier teile ich seine Aussage nicht so ganz.
Lt. Wikipedia sind die Anforderungen an die im Entry Standard notierten Unternehmen im Einzelnen:
- ein öffentliches Angebot (Prospektpflicht)
- Mindestalter des Unternehmens: 2 Jahre (Wien: 1 Jahr)
- Mindestgrundkapital: 750.000 €
- (rechnerischer) Nennwert pro Aktie: mindestens 1 €
- Mindeststreubesitz der Aktien: 10%
- Den Einbeziehungsantrag stellt das Unternehmen gemeinsam mit einem Handelsteilnehmer der FWB Frankfurter Wertpapierbörse, der entsprechend § 32 Abs.2 BörsG den Status eines Kreditinstitutes bzw. eines Finanzdienstleistungsinstitutes mit einem haftenden Kapital im Gegenwert von 730.000 € aufweisen muss.
- Der antragstellende Handelsteilnehmer bewertet, ob das Unternehmen die besonderen Voraussetzungen (operatives Geschäft, positives Eigenkapital, Investor Relations) erfüllt und den Nachweis gegenüber der Deutsche Börse AG erbringt.
Adressat des Entry Standards sind aufgrund der niedrigen Transparenzvorschriften jedoch vor allem qualifizierte Anleger und weniger die Privatinvestoren. Das ist es auch der Grund, warum der Entry Standard nicht verglichen werden kann mit dem damaligen Neuen Markt – der damals umfangreichste Offenlegungsverpflichtungen vorsah. Erklärtes Ziel der deutschen Börse bei Einführung des Entry Standards – das z.B auf ein EU-Prospekt beim Listung der Unternehmen verzichtet – war es den deutschen Klein- und Mittelunternehmen ein Börsesegment vergleichbar mit dem Londoner Alternative Investment Market (AIM) (mit sehr geringen Offenlegungsauflagen) zu schaffen.
Wo ich ihm jedoch vorgehaltlos zustimme, sind seine Vorschläge zur Verbesserung der Finanzierungssituation der Startups in Deutschland:
Das ist einerseits die Übertragung des „Enterprise Investment Scheme“ aus Großbritannien nach Deutschland. Der Enterprise Investment Scheme umfasst eine Reihe von steuerlichen Begünstigungen für Investments in kleinen nicht börsenotierten britischen Unternehmen und wurde während der Legislaturperiode von Tony Blair 1994 eingeführt. Im Rahmen dieser Vergünstigungen wurde am 6. April 2012 auch der Seed Enterprise Investment Scheme (SEIS) gestartet – auf den Lars Hinrichs wohl abzielt.
Wichtige Punkte dabei sind:
- SEIS investors can input £100,000 in a single tax year which can be spread over a number of companies. Any one company can raise no more than £150,000 in total via SEIS investment.
- Investors cannot control the company receiving their capital and have more than a 30% stake in the company in which they invest
- Investors can receive up to 50% tax relief in the tax year the investment is made, regardless of their marginal rate
- The business company must be a UK company and have a permanent establishment in the UK
- In the 2012-13 tax year, tax payers can roll a chargeable gain on the disposal of assets in the tax year in to shares qualifying for SEIS income tax relief, with a full capital gains tax exemption.
- The company must have fewer than 25 employees. If the company is the parent company of a group, that figure applies to the whole group.
- The company’s trade must be no more than two years old.
- The company must have assets of less than £200,000
- The company has to trade in an approved sector – generally not in finance or investment, for example, a property company raise capital as a SEIS.
Anzumerken ist, das als Ursache für die positive Entwicklung Großbritannien im Venture Capital Bereich im Vergleich zu den sonstigen europäischen Ländern wiederholt auf die vorteilhaften Regelungen des „Enterprise Investment Scheme“ hingewiesen wird.
Der zweite Vorschlag die Veranlagungsregeln für die großen Versicherer zu ändern und ihnen die Veranlagung in Risikokapital -zumindest zu einem geringen Anteil – zu ermöglichen: auch das ist ein heiß diskutiertes Thema in den letzten Jahren, wobei es bei den Diskussionen vor allem um die Investition der Versicherungen in die PE/VC Szene ging, d.h. in die Fonds. Die Investition von Versicherungen direkt in die Unternehmen wurde bis dato noch nicht sehr intensiv diskutiert.
Interessant ist übrigens auch die letzte Aussage von Lars Hinrichs: „Gute Firmen haben noch nie ein Problem damit gehabt – und zwar egal, wo sie sitzen. Ob das Helsinki ist oder Kapstadt oder Berlin oder Silicon Valley. Wir haben mehr Geld eingesammelt in Follow-on-Runden als wir in die Unternehmen je gesteckt haben.“ Wo hat er denn das Geld hingesteckt, wenn nicht in die Unternehmen?? 🙂